
Auf die Werte besinnen
Wenn die Welt in Zukunft demokratisch regiert werden soll, dann müssen wir uns auf die Werte besinnen, die SOS Mitmensch formuliert hat: auf Grund- und Menschenrechte für ALLE. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Text: Friedrun Huemer
Kein Thema eignet sich so gut, um eine Gesellschaft zu polarisieren, wie Flüchtlinge und Zuwanderung. Im Herbst 1992 war es wieder einmal so weit: Die FPÖ unter Jörg Haider kündigt das Volksbegehren „Österreich zuerst“ an. Mit dem Schüren von Neid und Hass, mit menschenfeindlichen Parolen wird nicht gespart. Dieses Volksbegehren hatte gute Aussichten, erfolgreich zu werden. Aber daraus wurde nichts, weil viele besorgte Menschen dagegen aufgestanden sind. So sind zwei Dinge auf den Weg gebracht worden: SOS Mitmensch und das Lichtermeer. SOS Mitmensch wurde als Trägerorganisation gegründet, folgende Ziele wurden definiert: Mitmenschlichkeit, Schutz der Menschenrechte, soziale Gerechtigkeit und Stärkung der Demokratie. Das Lichtermeer am 23. Jänner 1993 war großartig (300.000 Menschen in Wien, gleichzeitig etliche kleinere Veranstaltungen in zahlreichen Städten in Österreich). Das Ergebnis des FPÖ-Volksbegehrens blieb unter „ferner liefen“.
F. Huemer zur Klimaerwärmung: Es geht um das Leben künftiger Generationen auf der Erde.
Allerdings: Obwohl SPÖ und Teile der ÖVP das Lichtermeer unterstützt hatten, wurde das Fremdenrecht danach verschärft. Und wir fühlten uns verraten. Hilfe für die Geflüchteten kam vorerst von anderswo: Mit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union hat sich im Fremdenrecht einiges verbessert: Die Grundsicherung und ein Wohnplatz, sowie eine Krankenversicherung haben eine Existenzgrundlage ermöglicht. Dennoch: Heute, 30 Jahre später, stilisieren Politiker*innen Schutzsuchende immer noch als Bedrohung, Szenarien des vollen Bootes, der Überfremdung, oder steigender Kriminalität werden gezeichnet. Ein niederösterreichischer Landesrat lässt jugendliche Asylsuchende quasi einsperren. Sie leben durch Stacheldraht abgeriegelt, aber der Landesrat wird in einem Gerichtsverfahren freigesprochen.
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HEUTE, 30 JAHRE SPÄTER, STILISIEREN POLITIKER*INNEN
SCHUTZSUCHENDE IMMER NOCH ALS BEDROHUNG.
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Das Innenministerium inszeniert dramatische Abschiebungen von Familien, die sich im Nachhinein als unbegründet herausstellen. Wenn der Innenminister über Flüchtlinge spricht, redet er nie über Flüchtlinge, sondern immer nur von Schleppern. Die Betroffenen selbst und deren Schicksal interessieren ihn offenbar wenig. Es wird nach mehr Frontex und effektiverem Grenzschutz gerufen, Fluchthelfer werden grundsätzlich als geldgierige Schlepper verteufelt, der Innenminister fordert Asylverfahren in nordafrikanischen Lagern und dergleichen mehr. Aber für weite Teile der Bevölkerung gilt: Wir sind nicht so. Die Hilfsbereitschaft ist groß, gerade wieder gegenüber den ukrainischen Flüchtlingen. Viele Menschen geben Geld, stellen Wohnraum zur Verfügung, unterstützen Familien im Alltag, lernen mit Kindern in der Schule und mit Jugendlichen bei ihrer Ausbildung. Es wird nicht viel darüber geredet. Und das ist gut so.
Trotz allem ist das Thema heute nicht mehr der Aufreger Nr. 1. Obwohl Ewiggestrige nicht lockerlassen, weil sie das Feindbild brauchen. Allerdings wird die Weltgemeinschaft vor wesentlich größere Aufgaben gestellt: Klimakatastrophe, Krieg, Teuerung, Energieversorgung, Welternährung zeichnen ein düsteres Bild. Und es geht tatsächlich um Sein oder Nichtsein, um das Leben künftiger Generationen auf der Erde. Auch politisch sieht es nicht gut aus: Immer mehr Staaten wählen rechtsnationale Regierungen. Dabei wäre genau das Gegenteil notwendig. Die Regierungen müssten zu gemeinsamen Lösungen finden. Es muss verhindert werden, dass die Weltwirtschaft das Raumschiff Erde an die Wand fährt. Und wenn die Welt in Zukunft demokratisch regiert werden soll, dann müssen wir uns auf die Werte besinnen, die SOS Mitmensch formuliert hat: auf Grund- und Menschenrechte für ALLE.
Friedrun Huemer ist Ko-Initiatorin von SOS Mitmensch. Sie ist Psychologin und Biologin, und war als Politikerin für die Grünen aktiv.
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