
Das „Erfolgsgeheimnis“ des Sebastian Kurz
ANDERE ÜBER... Er kann interessiert zuhören oder tut so. Er wird selten für arrogant gehalten und wirkt immer gut vorbereitet. Macht das Sebastian Kurz so populär? Kommentar: Peter Filzmaier
In kindischen Umfragespielen lag die ÖVP hinter SPÖ und FPÖ lange unter ferner liefen. Nun wird das Wahlverhalten mit Sebastian Kurz als Spitzenkandidat abgefragt, und die Schwarzen sind im Rennen um den ersten Platz mindestens dabei. Warum nur, warum?
1. Oberflächlich analysiert verkörpert der 30-jährige Außenminister Kurz die Jugend, sieht gut aus und ist sprachbegabt. Seine Sympathiewerte sind daher klar positiv. Entscheidet das über die Parteipräferenz? Nein. Es ist eine Geschmacksfrage, ob Österreichs Wähler Kurz im Vergleich zu Bundeskanzler Christian Kern oder Oppositionsführer Heinz-Christian Strache für attraktiver und wortgewandter halten. Kein aktueller Konkurrent von Kurz ist potthässlich oder ein verbales Antitalent, sondern jeweils ganz im Gegenteil.
2. Eine Politik- und Wahlforschung des Typs „Wer ist der Schönste im Land?“ gibt es nicht. Wäre es so einfach, müsste sich jede Partei ja bloß einen attraktiven Schauspieler jüngeren Geburtsdatums suchen. Auch international haben extrem unterschiedliche Wahlsieger von Angela Merkel bis Donald Trump keinen Schönheitswettbewerb gewonnen.
3. Die Erklärung des bisherigen Positivimages von Kurz war: Er kennt sich so wie etwa Merkel aus. Seit er 2011 Staatssekretär und 2013 Minister wurde, war er in seiner Ressortzuständigkeit nie unvorbereitet oder stand gar inhaltlich auf der sprichwörtlichen Seife. Ob man seinen Ansichten zustimmte oder nicht, Kurz argumentierte sowohl allgemein verständlich als auch - anders als echte Populisten - anhand realer Zahlen und Fakten. Das sorgt bei einem bürgerlichen Akteur für Vertrauen. Zumindest unter jenen, die rechts denken und denen die FPÖ zu radikal ist.
4. Für Kurz zählen folgerichtig Vertrauensdaten mehr als Sympathie. Im APA/OGM-Vertrauensindex wird banal ein Saldo berechnet, wie viele Prozent den Regierungs- und Oppositionsmitgliedern vertrauen oder eben nicht. Das hat methodische Schwächen, weil der Bekanntheitsgrad nicht berücksichtigt wird. Kern, Kurz, Strache & Co kennt freilich jeder, und in dieser Kategorie war der ÖVP-Politiker vor seiner Obmannschaft fast plus 30 der Klassenprimus.
5. Eine Erklärung dafür ist, dass Kurz interessiert zuhören kann oder so tut. Zweifellos hochintelligente Politiker von Wolfgang Schüssel bis Alfred Gusenbauer haben zu oft den Eindruck erweckt, 90 bis 99 Prozent ihrer Gesprächspartner für irgendwie minderbemittelt zu halten. In neutralen Fokusgruppen, wo öffentliche Akteure generell schlecht aussteigen, wird Kurz anders als von Wählern der Gegenseite eher selten für arrogant gehalten.
6. Persönliche Untergriffe sind wirklich nicht sein Stil. Wer ihn bloß mit Schlammbällen bewirft, stärkt das Kurz‘sche Image als hart in der Sache. Solange er Außen-, Europa- und Integrationsminister war, gelang es keinem ihn in Themenstreitigkeiten der allgemeinen Art zu verstricken. Wo wenig zu gewinnen war, ob Steuern oder Arbeitsmarkt, hielt Kurz sich im Regelfall geschickt heraus. Als Parteichef und Listenerster im Wahlkampf freilich muss er sich da etwas Neues einfallen lassen. Das wird der Knackpunkt.
7. Ach ja, und Kurz ist ein Rechter. Seit 1983 gab es in allen nationalen Parteiwahlen eine Mehrheit rechts der Mitte. 2017 wird sich aller Voraussicht nach daran nichts ändern. Die größten Wählerwanderungen der letzten Jahrzehnte fanden hin und weg von der rechten FPÖ statt. Entgegen landläufiger Vorurteile ist die Mehrheit der Medien – siehe die auflagenstärksten Zeitungen in allen Bundesländern - alles andere als links. Kurz rechte Positionen sind demnach mehrheitsfähig.
ZUR PERSON: Peter Filzmaier
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Donau-Universität Krems und der Karl-Franzens-Universität Graz.
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