
„Die Krone wird genauso gefördert“
Das neue Mediengesetz soll qualitätsvollen Journalismus fördern. Simon Kravagna, Geschäftsführer von fjum – Forum Journalismus und Medien, kann das nicht erkennen. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Interview: Gunnar Landsgsell, Foto: Marko Mestrovic
Das Beinschab-Tool und Inseratenaffären erhöhten den Druck auf die Regierung, das Mediengesetz zu novellieren. Wird der Qualitätsjournalismus dadurch gestärkt?
Die Änderungen werden zu mehr Transparenz bei der Inseratenvergabe führen. Zudem wird es rund 20 Millionen Euro mehr an Förderungen für Medien geben. Das alles ist positiv. Weiterhin wird es aber deutlich mehr Mittel für Inserate als für die Förderung von Medien geben. Es gibt zudem keine Obergrenze für die Werbeeinschaltungen der Regierung. Ganz pragmatisch lässt sich sagen: Die Regierung setzt einige richtige Schritte. Einen Turbo für die Stärkung von Qualitätsjournalismus kann ich aber wirklich nicht erkennen.
Sind die Förderkriterien so formuliert, dass kritische, unabhängige Medien tatsächlich gestärkt werden?
Die Kriterien sind so formuliert, dass vor allem Medien profitieren, die es bereits gibt. Unabhängig davon, welche Art von Journalismus diese betreiben. Die Förderungen werden sich bei Tages-, Wochen- und Monatsmedien vor allem an der Anzahl der nach Kollektivvertrag beschäftigten Journalist*innen orientieren. Es wird damit die „Krone“ genauso gefördert werden wie der Falter. Aber auch Medien wie der „Exxpress“ könnten Anspruch auf Förderungen haben. Viele werden sich daher wohl zu Recht fragen, warum das Vorhaben der Regierung den Titel „Bundesgesetz über die Förderung des qualitätsvollen Journalismus in Medien des Print- und Online-Bereichs“ trägt.
Hat die Politik überhaupt Interesse, unabhängige Medien zu fördern?
Die Politik besteht aus vielen Menschen, Parteien und Fraktionen. Es wird wohl niemand darunter sein, der öffentlich sagen würde, es sollen nur unkritische und abhängige Medien gefördert werden. Tatsache ist nur: Die meisten Politiker*innen interessieren sich nicht wirklich für Medienpolitik, sondern dafür, wie sie selbst in Medien vorkommen. Im Ergebnis führt dies dazu, dass Medienpolitik von einem sehr kleinen Kreis gemacht wird, in dem Entscheidungen oftmals in einem Abtausch von Interessen getroffen werden. Das führt oft zu befremdlichen Ergebnissen, wie etwa die geplante Einstellung der Wiener Zeitung als Tageszeitung zeigt.
Inwiefern profitieren (Online-)Medien und Neugründungen von der Förderung? Reicht das, um die Medienlandschaft neu aufzustellen?
Online-Medien sollen erstmals gefördert werden. Dafür ist es höchste Zeit. Allerdings sollen laut dem bisher bekannten Entwurf nur digitale Medien gefördert werden, die zumindest 30 Millionen Zeichen pro Jahr an Journalismus produzieren. Für einen qualitätsvollen Output in dieser Dimension bräuchte es rund 30 Journalist*innen. Das ist für junge Medien nicht leistbar. Solche absurden Förderkriterien sollen v. a. dazu dienen, den Kuchen für etablierte Medien abzusichern. Das stellt aber in Wahrheit eine Marktverzerrung dar und behindert Innovation. Obwohl: Ein Medium, das seine Texte von ChatGPT schreiben lässt, hätte wohl gute Chancen, dieses 30-Millionen-Zeichen-Kriterium zu überspringen. Ich bin schon gespannt, ob das dann gilt und wer das kontrollieren wird. Wenn die zuständigen Medienpolitiker*innen klug sind, wird das 30-Millionen-Zeichen-Kriterium ganz schnell im Papierkorb verschwinden.
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