
Egal, ob jemand aus Syrien oder Meidling kommt
Bernhard Ehrlich kleckert nicht. Der selbsternannte Jobvermittler hat angekündigt, 10.000 Jobs für geflüchtete Menschen und ÖsterreicherInnen zu schaffen. Ein Gespräch über „hundertprozentigen Arbeitswillen“, das AMS und „Ein-Euro-Jobs“. Interview: Kathrin Wimmer, Fotos: Karin Wasner
Worum geht es bei Ihrer Initiative 10.000 Chancen?
Als vor eineinhalb Jahren viele Menschen nach Österreich kamen, war ich begeistert, dass sich so viele private Leute und Firmen engagierten. Ich wollte auch einen Beitrag leisten. Damals war ich noch Geschäftsführer im „Medianet-Verlag“ (ein Fachverlag) und habe bemerkt, dass wir zwei Phänomene in diesem Land haben. Zum einen hatten wir damals eine ansteigende Arbeitslosigkeit und zum anderen jammerten viele Branchen, dass sie keine Leute bekämen. Explizit war das damals die Hotellerie, Gastronomie und der Handel. Meine Idee war, Menschen mit Asylstatus in einen Startjob zu bringen. Das bedeutet, auch wenn jemand überqualifiziert ist, beginnt er z.B. als Hilfsarbeiter und hat dafür eine Anstellung. Die Leute sollen schnell zu arbeiten beginnen, damit hier nicht viel Differenz entsteht. Dass man nicht zwei oder drei Jahre arbeitslos ist, sondern sofort anfängt, Deutsch lernt und dann vielleicht seine Familie nachholen kann. Das war der Urgedanke.
Wieso machen Sie den Job vom Arbeitsmarktservice?
Ich habe gedacht, ich arbeite in meinem Bereich weiter und gehe zur Regelstruktur, sprich zum AMS, stelle meine Idee vor und sage: „Ich nenne euch die Firmen, die Leute suchen, ihr vermittelt und macht ein Schnittstellenmanagement!“ Ich habe mehrere Monate verhandelt, aber obwohl ich aus einem Verlagshaus kam und gute Kontakte hatte, ist mir keine Kooperation gelungen. Vielleicht war ein Grund schlicht Konkurrenzdenken. Noch dazu habe ich angesagt, 10.000 Arbeitsplätze zu machen. Das heißt 10.000 Chancen stehen für 10.000 Arbeitsplätze und das ist nicht so gut angekommen.
Aber warum? Darüber müsste man sich doch eigentlich freuen?
Davon bin ich ausgegangen. Die Wirtschaft hat das als extrem gut empfunden und mich unterstützt. Auch viele Medien haben berichtet, und ich musste mich entscheiden, ob ich es bleiben lasse oder versuche, das zu verwirklichen. Eine der schwierigsten Entscheidungen meines Lebens. Aber ich habe es riskiert. Ich habe bei Firmen angerufen und gefragt, ob sie freie Stellen vergeben. Anfangs waren das hauptsächlich Hilfsarbeiterjobs in der Reinigung, im Hotel- und Gastronomiebereich. Das war der einfachste Beruf, weil die Leute nicht qualifiziert werden mussten. Das Sprachniveau muss nicht hoch sein. Wichtig ist ein hundertprozentiger Arbeitswille.
„Salzburg, Tirol und Vorarlberg, das sind die Märkte, die auch offen für Flüchtlinge sind.“
Bernd Ehrlich im Gespräch mit Kathrin Wimmer. Foto: Karin Wasner
Was verstehen Sie darunter?
Hundert Prozent heißt, du willst arbeiten! Du suchst Dir die Arbeit nicht aus, sondern fängst einfach an. Die Dringlichkeit ist gegeben. Nach diesem Kriterium habe ich Leute gesucht und im Vorjahr 251 Jobs gemacht, hauptsächlich Vollzeitstellen. Teilzeitbeschäftigungen habe ich wieder sein lassen, weil ich es nicht verantworten kann, dass wir Flüchtlinge aus der Mindestsicherung herausholen und sie dann existenzgefährdet sind. Mein großes Ziel war, dass sie sich eine Wohnung nehmen und ihre Familie nachholen können. Ich vermittle mittlerweile auch Österreicher. Für mich ist wichtig, dass Sie eine Eintrittskarte in den Arbeitsmarkt haben, egal ob wer aus Syrien oder Meidling kommt. Es zeigt sich halt, dass Österreicher eher selten kommen. Man darf nicht vergessen, dass die Leute wegen 200 oder 300 Euro Differenz nicht arbeiten gehen wollen. Ich erlebe das oft in Diskussionen. Flüchtlinge fragen „Worum geht es bei dieser Initiative?“ Österreicher fragen „Was verdiene ich?“ Da merkt man schon einen Unterschied.
Welche Voraussetzungen müssen BewerberInnen haben, um von Ihnen vermittelt zu werden?
Voraussetzung ist natürlich die Sprache. Da mache ich auch keinen Kompromiss. Ich tue niemandem was Gutes, wenn jemand A1 Sprachniveau hat und der Arbeitgeber verlangt ein B1. Wer beispielsweise in die Lehre geht und eine Berufsschule macht, der muss gewisse Kulturtechniken beherrschen. Ohne Lesen, Schreiben und Rechnen geht es dort nicht. Das zweite Kriterium ist der Abschluss der 9. Schulstufe und das dritte, für mich Allerwichtigste, ist eben der hundertprozentige Arbeitswille. Eine Arbeit zu haben, verändert auch etwas im Kopf. Viele Flüchtlinge sagen, es geht ihnen um Ihre Würde. Sie haben ihre Familie zurückgelassen und wollen einfach Sicherheit. Deshalb sollten sie schnell im Arbeitsmarkt untergebracht und nicht in irgendwelche Kurse gesteckt werden. Umgekehrt formuliert: wenn ich keine Perspektive habe, warum soll ich dann Deutsch lernen?
Wie ist das Bewerbungsverhältnis von Frauen und Männern?
Das wird gerade besser. Am Anfang hatte ich fast 97 Prozent Männer. Jetzt ist es gelungen, dass wir immer mehr Mädchen bekommen. Mit den Jüngeren habe ich das Gefühl, das sich etwas verändert, außer vielleicht bei extrem Orthodoxen. Dort ist es einfach schwierig, wenn der Vater sehr patriarchalisch ist, dann dürfen die Töchter meist nur sehr eingeschränkt Deutsch lernen. Trotzdem vermittle ich viele Mädchen mit Kopftüchern. Im Handel zum Beispiel ist das überhaupt kein Thema. Die setzen sie vielleicht nicht in der Wurstabteilung ein, wo sie eine Haube aufsetzen müssen, aber in den restlichen Bereichen ist das überhaupt kein Problem. Im Schnitt haben wir jetzt ungefähr 35 Prozent Mädchen. Darauf bin ich sehr stolz.
Ist es wirklich so einfach, arbeitssuchende Flüchtlinge unterzubringen?
In den Bereichen Handel, Hotellerie und Gastronomie funktioniert es sehr gut. Im Handel gelingt es deshalb besser, weil sie dringend Leute suchen! Ich kann damit leben, wenn ich dafür Leute unterbringe, allerdings immer zu fairen Bedingungen. Für mich ist wichtig, dass hier keine Unterschiede zwischen den Menschen gemacht werden. Ich gehe immer zum Vorstand und checke das Unternehmen. Wenn ich das Gefühl habe, das passt nicht, dann mache ich es auch nicht. Ich versuche auch immer eine Sonderkondition herauszuschlagen, etwa die Finanzierung von Deutschkursen, oder bessere Bezahlung. Die Leute müssen sich schließlich auch eine Existenz aufbauen. Es gibt viele Jugendliche, die schon Mindestsicherung bekommen und wenn die jetzt in die Lehre gehen, verdienen sie viel weniger. Ich weise sie auf die Perspektive hin. Und ich habe auch nicht vor, Jobs zu machen, die mir dann wieder rausfallen, sondern ich möchte dass der Job auch hält.
In welchen Branchen funktioniert das Jobvermitteln nicht so gut?
In technischen Betriebe. Das hängt ein bisschen mit der Qualifikation zusammen. Wir haben unterschiedliche Ausbildungsstände in den Herkunftsländern und in Österreich. Deshalb habe ich diesem Bereich ein bisschen zurückgeschraubt – anfangs wollte ich mehr Mechatronik. Ansonsten ist es immer Glückssache welchen Personalchef sie haben. Meistens sind Frauen offener und mein Glück ist, dass viele Migrationshintergrund haben und deshalb sind sie meist aufgeschlossener gegenüber Flüchtlingen. Wenn ich jemanden vermittle und es funktioniert nicht, dann kann es zum Beispiel sein, dass die Arbeit doch nicht so war, wie man sich das vorgestellt hat. Vielleicht passt die Kommunikation nicht und er hat eventuell niemanden mit dem er reden kann oder arbeiten will. Das klingt komisch, aber zum Großteil klappt es. Ein Kochlehrling ist mir mal im Austria Trend Hotel abgesprungen. Ich habe erfahren, dass er mit dem Dienstbeginn um sieben Uhr in der Früh ein Problem hatte. Aber als Koch geht das halt nicht anders. Immerhin hat er es sieben Monate geschafft. So etwas erlebe ich auch mit Österreichern.
Wie stehen Sie zu den vielzitierten „Ein-Euro-Jobs“?
Das ist Schwachsinn. Wir haben noch immer sehr viele Ein-Euro-Jobs über das AMS. Es bringt dem Staat Null. Das ist nichts anderes als eine Beschäftigungstherapie. Sie müssen sich vorstellen: Wie geht es dem Ali, wenn er neben dem Peter steht und der kriegt 1.300 Euro und Ali ist genau einen Euro wert? Wenn Sie mit Unternehmen sprechen, werden die bestätigen, dass das Schwachsinn ist. Das brauchen wir nicht, weil wenn Ali „anzaht“ bekommt er auch 1.300 Euro. Die Unternehmen wollen keinen Unterschied machen, also: machen wir ihn auch nicht. Mein Vorschlag anstatt dieser Ein-Euro-Jobs: wer einen positiven Asylstatus bekommt, kriegt sofort eine gesicherte Unterkunft. Das muss keine eigene Wohnung sein, aber z.B. eine Unterkunft in einer WG. Im Gegenzug wird niemals Mindestsicherung ausbezahlt, sondern man geht gleich arbeiten. Das heißt, ich gewöhne die Leute nicht daran, etwas zu bekommen. Wir haben in Österreich noch immer eine Binnenflucht, auch wenn sie geringer geworden ist. Sehr viele Leute kommen einfach nach Wien. Es ist ihre große Hoffnung in der Stadt was zu finden. Das Erste wonach sie fragen, wenn sie zu 10.000 Chancen kommen: „Hast du eine Wohnung oder irgendwas für uns?“
Welche Möglichkeiten gibt es im restlichen Österreich?
Wir haben im Westen mehr Jobs als im Osten. In Linz haben wir zum Beispiel einen boomenden Arbeitsmarkt. Da kriege ich viele rein. Salzburg, Tirol und Vorarlberg, das sind die Märkte, die auch offen für Flüchtlinge sind. Aber man muss die Menschen halt bewegen und mobil machen können. Das ist das Schwierigste. Viele vergessen, dass es nicht nur um die Arbeit geht, sondern auch um die Unterkunft. Und es geht um die Community. Das sind die drei großen Bereiche, die du managen musst und wenn einer hinkt, funktioniert das Ganze nicht.
Wie finanzieren Sie Ihren gemeinnützigen Verein?
Bis jetzt zahle ich alles mit meinem privaten Geld. Vom Staat kriegen wir nichts. Wir kassieren auch nichts, sonst würde unsere Vereinsgrundlage wegfallen. Ich bin aus dem Medienbereich rausgegangen und arbeite pro bono, das wird aber nicht mehr lange gehen. Gerade jetzt wo wir unsere „Lehrlingsoffensive“ starten und heuer doppelt so viele Jobs schaffen wollen wie vergangenes Jahr. Ich habe gesagt, ich möchte dem Staat 100 Millionen Mindestsicherung pro Jahr sparen. Das sind 10.000 Arbeitsplätze die ich machen möchte. Unterstützt mich mit ein paar hunderttausend Euro, damit ich eine Struktur aufbauen kann und wir schnell viele Arbeitsplätze machen können.
Fotostrecke: Karin Wasner
Vermittelt durch Bernhard Ehrlich: Suliman, 22 Jahre alt, kommt aus Syrien und ist Kurde. Seit 2012 ist er in Österreich und war, als er seine Heimat verlassen musste, auf dem Gymnasium. Jetzt ist Suliman Lehrling in der Hilton Hotelgruppe.
Ashraf ist 27 Jahre alt und kam vor 2,5 Jahren aus Syrien nach Österreich. Er hat Informationstechnologie studiert und ist jetzt Küchenhilfe im Hotel Hilton am Stadtpark.
Mahmoud ist 24 Jahre alt und aus dem Irak geflüchtet. Er hat in seiner Heimat Rechtswissenschaften studiert und neben dem Studium gekellnert. Jetzt arbeitet er wieder als Kellner im Hilton Hotel.
Lamin, 25, kommt aus Gambia und ist seit acht Jahren in Österreich. Auch in Gambia hat er in einem Hotel gearbeitet.
Sajdewa, 33, floh im Juni 2014 aus Afghanistan nach Österreich. Dort hat er als Verkäufer gearbeitet, hier macht er die Zimmer im ältesten Hotel Wiens, dem Schick Hotel Stefanie.
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