
Expert*innen zu humanitärer Aufnahme - Mag. Georg Plentner
„Der Fluchtweg für die Familien ist sicher und organisiert.“ - Mag. Georg Plentner ist als Teamkoordinator im Bereich „Open Learning/Patenschaften“ bei der Caritas der Diözese Graz-Seckau tätig. Er und sein Team übernahmen bei allen drei österreichischen humanitären Aufnahmeprogrammen die Betreuung der Teilnehmenden in der Steiermark.
"Ich habe bei allen drei humanitären Aufnahmeprogrammen in Österreich mitgearbeitet. 2014 kamen zwei Familien aus Syrien. Der Schwerpunkt lag damals auf medizinischer Indikation. Das heißt, dass mindestens ein Familienmitglied ein medizinisches Problem hatte, das in Österreich behandelt wurde. 2015 hatten wir vier Familien in der Betreuung, wobei die Väter Gefängnis- und/oder Foltererfahrung hatten. 2017 waren es dann schon sechs Familien und der Fokus wurde auf Personen gelegt, die einen Anknüpfungspunkt in Österreich haben, also Verwandte, die hier schon leben. Bis auf diese Schwerpunkte waren die Familien bunt gemischt mit ganz unterschiedlichem Bildungshintergrund, teilweise studiert, teilweise auch ganz ohne Schulbildung.
„Die Menschen brauchten kein Asylverfahren mehr“
Nach einem kurzen Aufenthalt in Traiskirchen, wo alle behördlichen Dinge geklärt wurden, haben wir die Familien übernommen und das manchmal sehr spontan. Teilweise haben wir erst am Vortag erfahren, dass die Familien jetzt tatsächlich ankommen. Das Organisatorische war dann natürlich schon erledigt. Die Menschen brauchten kein Asylverfahren mehr, weil sie schon bei ihrer Ankunft asylberechtigt waren. Das wichtigste war, eine Wohnung zu organisieren. Die Familien waren in der Steiermark die ersten vier Monate in der Grundversorgung und hatten dann erst Anrecht auf Mindestsicherung. In dieser Zeit hat die Caritas die Miete für sie bezahlt.
Unterstützung bei Behördengängen und Zukunftsplanung
Unser Team bei der Caritas in Graz bestand aus drei Personen. Meine Kolleginnen waren für die Wohnungssuche im Vorhinein, das in Kontakt treten mit den Vermieter*innen, Mindestsicherungsanträge und Familienbeihilfeanträge zuständig. Ich habe die Deutschkurse organisiert und mich um AMS-Angelegenheiten gekümmert. Einmal in der Woche gab es einen Termin, zu dem die ganze Familie oder einzelne Mitglieder kamen und bei dem allfällige Probleme besprochen wurden. Die Geschichten der einzelnen Familienmitglieder wurden erfasst und wir haben versucht herauszuarbeiten, welche Zukunftsperspektiven es gibt, was sie interessiert. Anfangs war das natürlich nur mit Dolmetscher*in möglich oder teilweise auf Englisch.
Psychotherapie als Tabu-Thema
Mein persönliches Ziel war, dass die Personen möglichst schnell die Sprache lernen und dann eine Ausbildung beginnen oder in den Arbeitsmarkt einsteigen können. Da ich Psychologie studiert habe, haben wir für die Personen des zweiten humanitären Aufnahmeprogramms auch Workshops gemacht. Es waren viele Menschen mit Trauma-Erfahrungen dabei, durch die Gefängnisaufenthalte und Folterungen. Leider wurde das nicht so angenommen. Das mag vielleicht auch mit der Kultur zusammenhängen, da das Thema Psychotherapie dort vielleicht nicht so enttabuisiert ist, wie in Europa - obwohl es das auch hier noch nicht gänzlich ist.
„Manche kamen mit falschen Erwartungen“
Nicht mit allen Familien, die über das Aufnahmeprogramm gekommen sind, war es gleich leicht zu arbeiten. Einige wurden auf das, was sie in Österreich erwartet, nicht ausreichend vorbereitet. So gab es beispielsweise Personen, die nicht den gleichen Deutschkurs besuchen wollten, wie andere Geflüchtete. Sie waren teilweise auch nicht mit den Wohnungen zufrieden, obwohl sie in Ordnung waren. Wir haben da schon nach guten Wohnungen Ausschau gehalten, aber sie kamen mit den falschen Erwartungen. Die Geflüchteten befanden sich natürlich auch in einer problematischen und prekären Situation, weil sie in den ersten Monaten mit der Grundversorgung von sehr wenig Geld leben mussten und damit einfach nicht ausgekommen sind.
„Es war eine schöne Zeit“
Es ist von Programm zu Programm besser geworden und es war eine schöne Zeit. Ich war zum Beispiel mit den Vätern bei Fußballspielen und am Ende der jeweiligen Programme haben wir ein kleines Fest organisiert, wo alle gekommen sind und jeder etwas zu Essen mitgebracht hat. Im Großen und Ganzen hat es gut funktioniert, auch wenn es immer Dinge gibt, die nicht so ideal sind, aber wo gibt es das nicht?
„Keine Angst um Leib und Leben“
finde, dass es ein sinnvolles Programm war, nur die Vorbereitung vor Ort muss besser werden, so wie die Informationen für die ausführenden Organisationen im Ankunftsland. Wir hatten zum Beispiel für eine Familie eine Wohnung im vierten Stock ohne Lift organisiert und haben erst nach ihrer Ankunft erfahren, dass der Familienvater eine Zyste in der Lunge hat und keine Stiegen steigen kann. Der größte Vorteil von humanitären Aufnahmeprogrammen ist, dass der Fluchtweg für die Familien sicher und organisiert ist. Sie müssen keine abenteuerlichen und gefährlichen Routen nehmen und keine Angst um Leib und Leben haben."
SOS Mitmensch hat gemeinsam mit Expert*innen und Betroffenen eine große Kampagne für die Wiederaufnahme von humanitären Aufnahmeprogrammen für besonders schutzbedürftige Menschen gestartet. Wir wollen die humanitäre Tradition Österreichs wiederbeleben und Menschenleben retten!
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