
Erfahrungen mit humanitärer Aufnahme - Salma Youssef
„Es gab hier jemanden, der auf uns gewartet hat.“ - Salma Youssef und ihre Familie flüchteten vor dem Krieg in Syrien in den Libanon. Dort bekamen sie die Möglichkeit, über ein humanitäres Aufnahmeprogramm nach Österreich zu kommen. Das war der Start in ein sicheres Leben. Youssef wünscht sich eine Wiederaufnahme dieser Programme, um vor allem Kindern die schlimmen Erfahrungen der Flucht zu ersparen.
Redaktion: Sonja Kittel, Foto: Christoph Mavrič
„Unser Leben war nicht mehr sicher“
„Mein Name ist Salma Youssef, ich bin 40 Jahre alt und komme aus Homs in Syrien. 2012 bin ich mit meinen Kindern vor dem Krieg in den Libanon geflohen. Mein Mann war im Gefängnis und unser Leben war nicht mehr sicher. Wir haben uns über das UNHCR für ein Resettlement-Programm angemeldet. Zwei Jahre später haben sie uns angerufen und gesagt, wir kommen für das Programm in Frage. Nach zwei mehrstündigen Gesprächen über unsere Situation in Syrien, mein Mann war mittlerweile auch bei uns, bekamen wir 2015 dann die Information, dass wir nach Österreich gehen dürfen. Das UNHCR hat unsere Unterlagen vorbereitet und bald darauf ging es gemeinsam mit sechs anderen Familien mit dem Flugzeug nach Wien.
„Alles war vorbereitet“
Wir hatten keine Informationen über das Leben in Österreich und waren nervös, wie alles sein würde, mit einer neuen Kultur und einer neuen Sprache. Doch nach einem kurzen Zwischenhalt in Traiskirchen, wo wir unseren positiven Asylbescheid bekamen, sind wir nach Graz gekommen und es war alles für uns vorbereitet. Wir kamen in eine fertig eingerichtete Wohnung und dort wartete schon jemand von der Caritas auf uns, der uns alles erklärt und uns den Nachbarn vorgestellt hat. Die Caritas hat uns in allen Bereichen unterstützt. Meine Kinder wurden in der Schule und im Kindergarten angemeldet. Ich habe Deutschkurse von A1 bis B2 gemacht und auch die ÖIF Prüfung B2 bestanden.
„Das Programm war für uns sehr gut“
Ich bin Englischlehrerin und habe in Syrien und auch im Libanon Englisch unterrichtet. In Österreich habe ich dann im Sozialbereich gearbeitet und mich ausgebildet und dann über das AMS einen Intensivkurs zur Einzelhandelskauffrau absolviert. Jetzt arbeite ich als Verkäuferin. Mein Sohn macht eine Lehre, meine drei anderen Kinder sind im Gymnasium. Mein Mann kann seiner Leidenschaft nachgehen und arbeitet als Fotograf und Grafikdesigner bei ISOP. Wir wohnen immer noch in der gleichen Wohnung, die uns die Caritas damals vermittelt hatte und alles ist in Ordnung. Das Programm war für uns sehr gut.
Familien die Flucht ersparen
Vor allem Familien mit Kindern kann ein neues humanitäres Aufnahmeprogramm in Österreich viel Angst und Leid ersparen. Wir sind mit dem Flugzeug nach Österreich gekommen und es gab hier jemanden, der auf uns gewartet hat und uns geholfen hat. Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie es ist, alleine zu flüchten. Ich bin mit meinen Kindern zu Fuß von Syrien in den Libanon geflohen, im Zickzack, um den Landminen zu entgehen. Die Flucht hat nur zwanzig Minuten gedauert, trotzdem werden meine Kinder diese Momente nie vergessen. Jetzt muss man sich vorstellen, dass Kinder wochen- oder monatelang unterwegs sind, oft alleine, hungrig, schmutzig verängstigt. Es würde schon reichen, wenn man den Familien die Flucht an sich erspart und sie dann hier in eine Flüchtlingsunterkunft bringt. Die Kinder können ruhig schlafen und die Mutter hat Sicherheit.
Das Gefühl, nicht gewollt zu sein
Eines meiner Kinder, es war vier als wir geflohen sind, hat psychologische Hilfe in Anspruch genommen. Es hatte Angst, dass in Österreich das gleiche passieren könnte wie in Syrien. „Müssen wir wieder weg von hier?“ „Wird dieses Gebäude zerbombt?“ „Kommt der Krieg sicher nicht nach Österreich?“ Kinder lernen im Kriegsgeschehen, dass sie stark sein müssen. Wenn sie dann flüchten, machen sie oft die Erfahrung, dass niemand ihnen helfen will. Sie werden geboren mit dem Gefühl im Herz, dass sie nicht gewollt werden. Sie sollten ihre Zeit mit Spielen und Lernen verbringen und nicht so.
„Ich möchte danke sagen“
Für unser Leben wünsche ich mir, dass alle meine Kinder die Matura oder Lehre absolvieren und ihren Weg finden. Für mich hoffe ich, dass ich später mehr Stunden arbeiten kann, wenn die Kinder älter sind und dann will ich die österreichische Staatsbürgerschaft beantragen. Ich hoffe auch, immer Sicherheit zu haben. Viele unserer Bekannten und Verwandten sind im Libanon oder in Syrien. Ich wünsche ihnen einen Weg in ein besseres Leben. Österreich und der Caritas möchte ich Danke sagen. Obwohl ich Kopftuch trage, gab es für mich im Alltag nie ein Problem. Auch bei meinen Kindern in der Schule wurde kein Unterschied zwischen Schüler*innen aus Österreich oder aus Syrien gemacht. Danke für alles.“
Bist auch du über ein humanitäres Aufnahmeprogramm nach Österreich gekommen und möchtest die humanitäre Aufnahmeinitiative von SOS Mitmensch unterstützen? Dann sende uns eine E-Mail an: [email protected]
SOS Mitmensch hat gemeinsam mit Expert*innen und Betroffenen eine große Kampagne für die Wiederaufnahme von humanitären Aufnahmeprogrammen für besonders schutzbedürftige Menschen gestartet. Wir wollen die humanitäre Tradition Österreichs wiederbeleben und Menschenleben retten!
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