
Erfahrungen mit humanitärer Aufnahme - Sarkaw Gassid
„Das österreichische Aufnahmeprogramm hat uns gerettet.“ - Sarkaw Gassid* und seine Frau lebten als Christen im Irak. Durch den Vormarsch des IS war ihr Leben in akuter Gefahr. Sie standen vor der Entscheidung, in einem Land zu bleiben, in dem ihnen aufgrund ihres Glaubens Folter oder Tod drohten, oder eine gefährliche Flucht anzutreten. Doch dann öffnete sich plötzlich eine Tür zu einem rettenden Ausweg: Sie gelangten über das österreichische Aufnahmeprogramm auf einer sicheren Route legal nach Österreich und begannen ein neues Leben.
Redaktion: Sonja Kittel, Foto: Arifur Rahman Tushar
„Wir waren in großer Gefahr“
„Ende 2013 bin ich gemeinsam mit meiner Frau über ein humanitäres Aufnahmeprogramm nach Österreich gekommen. Das hat uns damals gerettet. Meine Frau und ich sind Christen. Wir waren in großer Gefahr wegen dem IS. Wir wussten damals nicht, wo wir hin sollten. Die Kirche hat uns geholfen und uns im Rahmen der erweiterten Familienzusammenführung bei dem Resettlement-Programm angemeldet. Dadurch konnten wir legal nach Österreich reisen. Wir waren ein paar Tage in Traiskirchen, um die Unterlagen fertig zu machen und den positiven Asylbescheid zu bekommen, und sind anschließend weiter nach Wien.
Deutsch als erster Schritt
In Wien hat uns die kirchliche Organisation „Bewegung mit Menschen“ unterstützt. Ihr Obmann hat uns eine Wohnung besorgt, uns auf das Sozialamt und zum AMS begleitet und uns immer geholfen, bis wir es selbst schaffen konnten. Wir haben uns direkt beim AMS angemeldet und konnten sofort mit Sprachkursen starten. Wir haben, bis auf kleine Wartepausen, einen Deutschkurs nach dem anderen von A1 bis B2 gemacht. Die deutsche Sprache war der erste Schritt, denn ohne Deutsch konnten wir nicht arbeiten. Wir hatten erst versucht, ein paar Bewerbungen auf Englisch zu schicken, aber das war ehrlich gesagt sinnlos.
„Ich kämpfe seit Jahren für ein Masterstudium“
Im Irak habe ich meinen Bachelor im Bauingenieurwesen abgeschlossen. Leider ist es sehr schwierig, dieses Studium hier anerkennen zu lassen, weil es keine Nostrifizierung, wie zum Beispiel bei medizinischen Berufen gibt. Ich kämpfe seit Jahren dafür, ein Masterstudium zu machen, aber dafür müsste ich sehr viele Fächer aus dem Bachelorstudium nachholen und das ist derzeit neben der Arbeit unmöglich für mich und auch die Kosten sind zu hoch. Ich arbeite jetzt in der Baubranche. Vorher hatte ich schon zwei Praktika in dem Bereich gemacht und über das AMS eine Ausbildung für Bauingenieurwesen und Innendesign abgeschlossen. Meine Frau und ich haben versucht, von Anfang an Gas zu geben und uns richtig zu integrieren und das hat funktioniert.
Komplizierter Weg zur Staatsbürgerschaft
Inzwischen haben wir die österreichische Staatsbürgerschaft. Wir haben das über eine Anwältin gemacht und sie hat hart gearbeitet und uns sehr geholfen, wofür wir ihr sehr dankbar sind. Der Prozess war zäh und kompliziert. Es hat dann aber alles super geklappt, außer dass wir ein Kind bekommen haben. Also das war natürlich eine super Nachricht, aber sie wurde einen Tag, bevor ich meine Staatsbürgerschaft verliehen bekommen habe, geboren. Somit war sie nicht automatisch Österreicherin und wir mussten Asyl für sie beantragen. Meine Frau hat dann noch etwas mit ihrer Staatsbürgerschaft gewartet und nach vielem Hin-und Herschicken von Unterlagen haben die beiden sie letztendlich auch bekommen. Unsere Situation ist jetzt stabil und es stellt sich für uns die Frage, wie wir uns weiterentwickeln können. Am Anfang ging es nur darum, wie bekomme ich einen Job. Jetzt will ich einen Schritt weitergehen.
„Viele Jahre wären verloren gegangen“
Wir waren damals im Irak in einer echten Notsituation und das österreichische Aufnahmeprogramm hat uns wirklich sehr geholfen. Die einzige andere Möglichkeit wäre gewesen, in die Türkei zu flüchten und zu versuchen irgendwie weiterzukommen und Asyl zu beantragen. Viele Jahre wären verloren gegangen. Ein Verwandter von mir war zwei Jahre in der Türkei und ist dann 2015 über das Meer hierhergekommen. Er hat nach zwei weiteren Jahren Wartezeit subsidiären Schutz bekommen. In diesen zwei Jahren durfte er keine Kurse machen und nicht arbeiten, weil er keinen Bescheid hatte. Durch das Resettlement-Programm spart man sich diese Schritte und es ist auch besser für das österreichische System.“
* Name wurde von der Redaktion geändert
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SOS Mitmensch hat gemeinsam mit Expert*innen und Betroffenen eine große Kampagne für die Wiederaufnahme von humanitären Aufnahmeprogrammen für besonders schutzbedürftige Menschen gestartet. Wir wollen die humanitäre Tradition Österreichs wiederbeleben und Menschenleben retten!
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