
Trotzige Zuversicht
Die Hoffnung nimmt die Dinge so tragisch wie sie sind, sie akzeptiert keine falschen Vertröstungen. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Eine Kolumne von Martin Schenk. Illustration: Petja Dimitrova
Willi Resetarits ist tot. Ich kann es bis jetzt nicht wirklich glauben. Er war irgendwie immer da. In echt oder mit seiner Musik. „Komm mit, wir brauchen junge Leute“, hat er zu mir gesagt. Ich war um die zwanzig, hab in der damals kleinen Wohnungsloseneinrichtung Gruft ein paar Stunden mitgearbeitet und vormittags in den Flüchtlingsunterkünften ausgeholfen. Die Rechtsberatung im WUK war da eine große Unterstützung. Dort war Willi engagiert. „Komm mit“, hat er gesagt. Das war die Vorbereitungsgruppe zum Lichtermeer, das mit über 300.000 Teilnehmer*innen die größte Kundgebung der zweiten Republik werden sollte. Im Dachgeschoß seines Integrationshauses startete dann die Gesundheitsambulanz Hemayat für Folter- und Kriegsüberlebende, wo wir uns oft über den Weg liefen. Dann kam der Briefbombenterror mit einem explosiven Kuvert an seine Mutter Angela, das zum Glück vorher abgefangen wurde. Ich kann mich an die gemeinsame Fahrt im Auto erinnern, Willi und seine Mama das kroatische Lied singend, das sie dann am Hauptplatz von Hartberg zum Besten geben sollten.
Willi war auf geheimnisvolle Weise zuversichtlich, im Schwierigen trotzig hoffnungsfroh. „Als wir angefangen haben mit der Musik, haben wir vor drei Leuten gespielt, in Tulln in einer Location hab`n wir gfragt, dürf ma eh spielen?“, erzählt er. Das habe ich mir gemerkt, auch vor drei Leuten spielen. Heißt: Sich nicht als was Besseres fühlen, und Freude haben – mit den Dreien, die da sind.
Es geht bei Hoffnung immer um ein „Trotzdem“. Wie beim Blues, natürlich auch beim Favorit‘n & Blues. Der Blues erzählt von etwas Gemeinschaftsstiftendem, das in dunklen Momenten entsteht: dem Entschluss, sich zu behaupten. Das ist ein Statement sowohl gegen den Weltverbesserungskitsch als auch gegen das Aufgeben. Der Blues spricht etwas Dynamisches an, die Kraft, weiterzumachen. Hoffnung ist etwas anderes als Optimismus. Die Hoffnung nimmt die Dinge so tragisch wie sie sind, sie akzeptiert keine falschen Vertröstungen und das Nicht-Ernstnehmen von Leid. Und trotzdem sagt die Hoffnung: Wir überlassen die Zukunft nicht der Verzweiflung. In dieser geheimnisvollen Weise zuversichtlich zu sein, darin versuche ich mich – heute am Plattenteller im Espresso Rosi.
Martin Schenk ist Sozialexperte der Diakonie Österreich.
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