
Udo Landbauer ein „Kellernazi“?
Die FPÖ kündigte nach der Angelobung der niederösterreichischen Landesregierung Klagen gegen den Begriff „Kellernazi“ an. Doch diese Ankündigung steht auf wackeligen Beinen. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Kommentar: Alexander Pollak
Die FPÖ Niederösterreich provoziert immer wieder mit extremen Positionen. 2018 konstatierte
Landesrat Waldhäusl, es gebe zu viele „Hunde mit Migrationshintergrund“ in Österreich.
„Die FPÖ Niederösterreich ist aufgrund ihrer Mandatare, die mehr oder weniger fast alle Kellernazis sind, eine ganz spezielle“, sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, wenige Tage vor der Angelobung der niederösterreichischen Landesregierung. Die niederösterreichische FPÖ wies den „Kellernazi“-Vorwurf umgehend zurück, drohte aber nicht mit einer Klage. Erst als Vizekanzler Werner Kogler die FPÖ-Landesgruppe und ihren Obmann Udo Landbauer erneut mit dem Vorwurf, „Kellernazis“ zu sein, in Verbindung brachte, war plötzlich von rechtlichen Schritten die Rede. Landbauer sagte, er finde die „Kellernazi“-Vorwürfe gegen ihn „widerlich“ und er hätte „gute Lust“ dagegen vorzugehen. Doch woher kommt der „Kellernazi“-Begriff überhaupt und wie wahrscheinlich ist es, dass Landbauer tatsächlich rechtliche Schritte ergreifen wird?
Der Begriff „Kellernazi“ kursiert schon seit längerem in der österreichischen Politik. Kreiert wurde er überraschenderweise nicht von Gegnern der FPÖ, sondern vom ehemaligen FPÖ-Obmann Norbert Steger. Dieser wollte in den 1980er-Jahren die FPÖ von „Kellernazis“ befreien, sprich von Personen, die zwar nicht unbedingt öffentlich nationalsozialistisches Gedankengut vertraten, diesem aber privat nahestanden bzw. ein ambivalentes Verhältnis dazu hatten. Karikaturist Manfred Deix fertigte dazu ein satirisches Bild an, das die gähnende Leere in der FPÖ zeigt, nachdem Steger alle Nazis aus der Partei hinauskomplimentiert hatte.
Europäischer Gerichtshof entschied
Im Jahr 1995 griff der Journalist Hans-Henning Scharsach im Magazin „News“ den „Kellernazi“-Begriff auf und wandte ihn auf die FPÖ-Politikerin Barbara Rosenkranz an. Sie klagte und Scharsach wurde in Österreich gerichtlich verurteilt. Doch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hob das Urteil auf, weil es sich, so das Gericht, um ein zulässiges, weil tatsachengestütztes Werturteil gehandelt habe. Im Jahr 2009 richtete der damalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, die Webseite „Kellernazis in der FPÖ“ ein, auf der eine Reihe an ehemaligen und aktiven FPÖ-Politikern genannt wurden. Die Webseite ist noch immer online.
Die „alten Werte“
Zurück zu den aktuellen „Kellernazi“-Vorwürfen gegen Udo Landbauer. Was ist über sein Verhältnis zu nationalsozialistischem Gedankengut bekannt? Öffentlich betont Landbauer, dass er „mit antisemitischem und nationalsozialistischem Gedankengut nichts am Hut“ habe. Doch belegt ist, dass Landbauer noch im Jahr 2011 antisemitische Kreise, die mit Holocaustleugnern und Neonazis sympathisiert haben, bejubelt hat. Wörtlich hat Landbauer in einem Schreiben aus Anlass des 60-jährigen Jubiläums der rechtsextremen „Aula“ die „alten Werte“ des zutiefst antisemitischen und rassistischen Magazins gepriesen. Landbauer hat zudem in der „Aula“, also im Umfeld von Neonazisympathisanten, für ein Liederbuch geworben, das laut Rechtsextremismusexperten eindeutiges Nazi-Liedgut enthielt.
2017 verspottete die FPÖ Landeshauptfrau Mikl-Leiter als „Moslem-Mama“. 2023 ist sie mit der
selben Partei eine Regierungskoalition eingegangen.
Darüber hinaus war Landbauer Mitglied der rechtsextremen Burschenschaft „Germania zu Wiener Neustadt“, der ein wüst-antisemitisches Liederbuch mit der Textzeile „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million“ (in Anspielung auf die 6 Millionen vom Nazi-Regime ermordeten Jüdinnen und Juden) zugeordnet wurde. Landbauer bestritt, dieses Liederbuch gekannt zu haben. Landbauer ist darüber hinaus auch mitverantwortlich für zahlreiche rassistische Kampagnen, die die FPÖ und auch er persönlich in den vergangenen Jahren betrieben haben. Ob Landbauer mit dieser Biografie erfolgreich gegen den Begriff „Kellernazi“ klagen kann, ist wohl mehr als ungewiss. Gut möglich, dass er es, entgegen seiner Ankündigung, erst gar nicht versuchen wird.
Tabubruch
Sicher ist, dass Niederösterreichs Landeshauptfrau Mikl-Leitner einen Tabubruch begangen hat, als sie mit Landbauer einen Pakt schloss. Denn Landbauer ist in seiner FPÖ-Landesgruppe kein Einzelfall. Rund um ihn tummeln sich Funktionäre und Mandatare, die in der Vergangenheit den Hitlergruß gezeigt, sich im Umfeld des Alt-Neonazis Gottfried Küssel bewegt, ein Näheverhältnis zu den radikal rechtsextremen „Identitären“ gepflegt oder rassistische Aussagen getätigt haben. Jetzt sind diese Personen aufgrund der FPÖ-Wahlzugewinne, aber auch und insbesondere aufgrund des Paktes mit der niederösterreichischen ÖVP mit erheblicher politischer Macht ausgestattet.
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Udo Landbauer war
Mitglied der rechtsextremen
Burschenschaft
„Germania zu Wiener Neustadt“.
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Signalwirkung
Die Signalwirkung für andere Bundesländer sowie für die Bundespolitik ist unübersehbar. Inzwischen ist Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer dem Beispiel von Johanna Mikl-Leitner gefolgt und hat erstmals in seinem Bundesland eine Koalition mit der FPÖ geschlossen.
Proteste aus Kultur
Widerstand gegen die Abkommen mit der extremen Rechten kommt von Kulturschaffenden. Die „Akademie des Österreichischen Films“ hat sich als Reaktion darauf aus Niederösterreich zurückgezogen. Sie besteht aus 550 renommierten Persönlichkeiten der Filmbranche und hat in den vergangenen Jahren u.a. in Schloss Grafenegg den Österreichischen Filmpreis vergeben. Auch die IG Autorinnen Autoren hat bekanntgegeben, bis auf weiteres an keinen Repräsentationsveranstaltungen des Landes Niederösterreich mehr teilzunehmen. Die Zeit zu feiern sei vorbei.
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