
Shoa-Überlebende Feldner: „Wenn die SPÖ mit der FPÖ koaliert, trete ich sofort aus“
Helga Feldner gehört zu den letzten Shoa-Überlebenden. In der neuen Ausgabe des von SOS Mitmensch herausgegebenen MO-Magazin für Menschenrechte spricht die 1929 in Wien Geborene darüber, warum sie aus Österreich nicht fliehen konnte, welchen Moralkodex sie weitergibt und wie sie den Aufstieg des Rechtspopulismus heute wahrnimmt. Feldner übt scharfe Kritik an Sebastian Kurz und erklärt: „Wenn die SPÖ mit der FPÖ koaliert, trete ich sofort aus.“
„1938 ging es Schlag auf Schlag“
Helga Feldner erlebte den „Anschluss“ im März 1938 als Schülerin. Bereits wenige Tage nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde sie aus ihrer Wiener Volksschule hinausgeworfen. „Der Direktor kam zu mir und einer Schulkameradin und sagte: „Kommt’s heraus, wir können keine Juden in der Schule dulden.“ Das war sehr traumatisch für mich. Und dann ist der Judenstern gekommen, das war richtig hart. Jeder hat einen angeschaut“, erzählt Feldner. Später habe sie auch nicht mehr mit der Straßenbahn fahren und nicht mehr in die Parks gehen dürfen. Auf den Bänken sei „Juden und Hunde unerwünscht“ gestanden, so Feldner.
„Für Flucht fehlte uns das Geld“
Feldner berichtet, wie schwierig es gewesen sei, zu fliehen. „Wir waren knapp bei Kasse. Die Orte, an die man auswandern konnte, waren schon sehr beschränkt. Amerika und die europäischen Länder haben kaum mehr wen aufgenommen. Letzten Endes konnte man nur nach Kuba oder nach Shanghai“, erzählt Feldner. Ihre Mutter habe alles Hab und Gut verkauft, um Schiffskarten zu erstehen. „Im Juni 1939 konnten wir eine Schiffskarte zahlen. Mein Vater fuhr damit nach Genua. Wir mussten dann aber mit Schrecken feststellen, dass wir einem Betrüger aufgesessen waren und es das Schiff dort gar nicht gab“, so Feldner.
„Mit 14 hatte ich ‚Volljudenstatus’“
Vorerst konnte Feldner in Wien überleben, da ihr Großvater christlicher Herkunft war. Ihre Mutter galt nach den Nürnberger Gesetzen als „Mischling ersten Grades“. Dreimal wurde Helga Feldner in ein Sammellager zur Verschickung in Konzentrationslager gebracht, aber ihr Großvater konnte sie immer wieder herausholen. Doch nach ihrem 14. Geburtstag galten die Nürnberger Gesetze auch für sie. „Ich hatte nunmehr einen „Volljudenstatus“. Ich bekam Ende März 1943 die „Einberufung“ nach Theresienstadt. Meine Mutter meldete sich mit meiner kleinen Schwester freiwillig dazu“, berichtet Feldner, die bis zu ihrer Befreiung im KZ Theresienstadt überlebte.
„Benachteiligung als Frau und als Jüdin nach dem Krieg“
Feldner kehrte nach Kriegsende nach Wien zurück. Sie studierte Medizin und arbeitete in Spitälern. In Österreich habe sie es als Frau und als Jüdin nicht leicht gehabt, so Feldner. „Ich musste viel mehr arbeiten und sehr viele Hindernisse überwinden. Eines Tages bekam ich einen Assistenzposten im Spital, und der Chef sagte zu mir: „Ich hoffe, Sie werden nicht gleich wieder ein Kind bekommen.“ Ich sagte „Nein, nein“ und hatte dabei schon seit mehr als einen Monat nicht mehr menstruiert“, erzählt Feldner.
„Mein Moralkodex: Steig niemals auf jemanden, der unten ist“
Ihren vier Kindern gab Feldner einen einfachen Moralkodex mit. Er lautet: „Steig niemals auf jemanden, der unten ist. Bewahre eine gewisse innere Anständigkeit.“ Die Weitergabe dieses Moralkodexes sei ihr auch bei ihren Enkelkindern gelungen, so Feldner. Das betreffe die Korrektheit mit dem Geld genauso wie die Beteiligung an der Flüchtlingshilfe. „Meine Enkel haben Fahrtendienste nach Traiskirchen geleistet, den Leuten zu essen gegeben. Wir betreuen auch zwei Familien, eine irakische und eine syrische“, erzählt Feldner.
„Wenn die SPÖ mit der FPÖ koaliert, trete ich sofort aus“
Mit der restriktiven Flüchtlingspolitik der Bundesregierung ist Feldner nicht einverstanden. „Es steigt mir vieles auf, muss ich sagen. Die Abschottungspolitik eines Sebastian Kurz erinnert mich daran, wie damals auch die meisten Länder uns die Türen vor der Nase verschlossen haben. Auf der anderen Seite denke ich mir aber auch, dass es umso vieles besser als der starke Mann von früher ist. Bundeskanzler Kern macht sich nicht so schlecht. Aber wenn die SPÖ mit der FPÖ koaliert, trete ich sofort aus. Der Hofer, der war schon gefährlich. Da haben wir gezittert“, sagt Feldner.
„EU ist unvergleichliche Errungenschaft“
Ein großer Wunsch von Feldner ist das Weiterbestehen der EU. „Das ist eine Errungenschaft, die mit nichts zu vergleichen ist. 70 Jahre Frieden! Die Grausamkeiten des Krieges sind furchtbar. Jeder Mensch hat eine gewisse Hemmung, aber wenn diese gefallen ist, findet man eine Ausrede nach der anderen, um jede Humanität einfach links liegen zu lassen“, erzählt Feldner und sie hofft, dass ihr Wirken als Zeitzeugin an Schulen dabei hilft, Humanität zu vermitteln. „Ich bin jetzt schon sehr alt, und das Herumfahren ist strapaziös. Letzte Woche in Graz, nächste Woche in Wolkersdorf. Aber vielleicht trägt es dazu bei, dass sich die Leute überlegen, wie man einen Mitmenschen behandelt.“
Das gesamte Interview mit Helga Feldner finden Sie hier: https://www.sosmitmensch.at/site/momagazin/alleausgaben/47/article/1424.html
Unterstützen Sie jetzt unabhängigen Menschenrechtsjournalismus mit einem MO-Magazin-Solidaritäts-Abo