
Wer vertraut der Polizei?
Die Polizei muss sich besonders um das Vertrauen der Menschen bemühen, die mit der geltenden Ordnung in Konflikt geraten. Ein Beitrag im neuen MO-Magazin für Menschenrechte. Polizeikolumne - Philipp Sonderegger beobachtet die Staatsgewalt. Illustration: Petja Dimitrova.
Seit 2019 ist die Polizei der österreichische Vertrauens-Champion. Unangefochten liegt sie an der Spitze des jährlichen Vertrauensindex von APA und OGM. Die Befragung gibt aber v. a. Aufschluss darüber, was die Mehrheitsgesellschaft denkt, und nicht so sehr, was randständige Gesellschaftsgruppen denken.
Auch bei der Polizei selbst scheint man nicht allzu sehr an den Grautönen interessiert zu sein. Obwohl das BMI selbst Erhebungen zu seinem Image durchgeführt hat, begnügt sich die Publikation aus dem Jahr 2020 mit allgemeinen Feststellungen. Welche Bevölkerungsgruppen aus welchen Gründen Vorbehalte gegen die Exekutive pflegen, bleibt ausgespart. Externe Untersuchungen, die darüber Aufschluss geben könnten – wie etwa der Bericht zu Ethnic Profiling der Europäischen Grundrechteagentur – werden von höchster Stelle als unwissenschaftlich abgekanzelt.
Dabei verspricht die Polizei in ihren Leitbildern selbst, alle Bevölkerungsgruppen anzusprechen und als „der Sicherheitsdienstleister […] noch transparenter und zielgruppenorientierter“ dafür zu sorgen, dass „alle Menschen in Österreich ihre Grund und Freiheitsrechte wahrnehmen können.“ Den Praktiker*innen an der Basis dürfte die Diskrepanz zur Realität durchaus bewusst sein. So haben die internen Ermittler*innen im Fall einer rumänischen Escort-Begleiterin in Oberösterreich, die erschlagen wurde, eingeräumt, dass die polizeiliche Nachschau möglicherweise deshalb erfolglos blieb, weil die Angehörigen des Opfers mangels Vertrauen nur zögerlich Informationen preisgaben, als sie diese abgängig meldeten.
Dabei genügt es nicht, sich damit abzufinden, dass es der Polizei bei bestimmten Gruppen an Vertrauen fehlt. Mit dem Vorschlag konfrontiert, einen Feedback-Taster am Ausgang der Polizeiinspektionen zu installieren, reagierte die Social-Media Abteilung der LPD Wien durchaus launig: „Als Dienstleisterin der Gesellschaft ist es unsere Aufgabe, einzelne Kund*innen manchmal bewusst unzufrieden zu machen.“ Das stimmt schon. Aber genau auf jene Gruppen, die unter Umständen kein großes Vertrauen haben, müsste die Polizei besonders zugehen. Vielleicht hätte die totgeprügelte Frau dann gerettet werden können.
Philipp Sonderegger ist Menschenrechtler, lebt in Wien und bloggt auf phsblog.at.
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