Solidarität?
Liebe Leserin, lieber Leser,
Kanzler Faymann fordert Solidarität mit Griechenland, sein Stellvertreter Spindelegger fordert sie für die Bauern. Ok, aber was wurde eigentlich wirklich aus ... Solidarität? Ehemals ein politischer Kampfbegriff, lange Zeit nahezu verpönt, taucht er jüngst in der Finanz- und Systemkrise verstärkt wieder auf. Was die Leute heute darunter verstehen, hat uns für diese Ausgabe interessiert. Solidarisch zu sein, das zeigt die erste Reportage, ist eine Frage individueller Auslegung.
Eben erst arbeitslos Gewordene verdienen sie, Langzeitarbeitslose nicht. Die sollen sich endlich wieder eine Hack’n suchen, erklärt ein Bursche. Der Politikwissenschafter Ulrich Brand konstatiert in seinem Beitrag ein massives Defizit, das sich vom Individuum bis zu nationalstaatlichen Institutionen zieht. Warum Werte wie Solidarität abnehmen, sei dabei kein Mirakel: „Die direkten Formen von Anteilnahme und Unterstützung nehmen in Gesellschaften ab, in denen Leistung und Verantwortung individualisiert werden“, schreibt Brand.
Auch wenn wir dem Credo der Flexibilisierung in der Leistungsgesellschaft und der Rhetorik des unbegrenzten Wachstums noch anhängen, ist für den Ökonomen Markus Marterbauer noch nicht aller Tage Abend. Er zeiht Mario Draghi, den Präsidenten der Europäischen Zentralbank, der Fehleinschätzung, weil dieser das europäische Sozialstaatsmodell für „ausgedient“ befand, und erklärt im Interview, warum gerade jetzt ein solidaris her Staat gebraucht werde.
Spannende Momente wünscht
Gunnar Landsgesell